Noch immer Appetit auf Wurst?

Der nächste Lebensmittelskandal kommt bestimmt. Daran haben wir uns doch schon gewöhnt. Oder nicht? Jedenfalls gab es gerade wieder einschlägige Schlagzeilen, seit in der Wurst eines dänischen Herstellers Listerien, also gesundheitsgefährdende Bakterien, gefunden wurden.

Kontaminierungen können in der Lebensmittelherstellung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Ausgeschlossen sollte es aber sein, dass zuständige Behörden versäumen, rechtzeitig entsprechende Informationen zu veröffentlichen und Maßnahmen zu ergreifen, um Schaden von den Konsumenten abzuwenden. Man möchte es nicht glauben, aber das ist eben nicht auszuschließen. Man kann sogar noch einen wesentlichen Schritt weitergehen und sagen: Gelegentlich halten Sie solche Informationen sogar willentlich zurück und bestrafen die, die die Wahrheit ans Licht bringen.

Der jüngste Foodwatch-Newsletter klagt unverblümt über ein Versagen von Politik und Behörden. Der EHEC-Skandal im Jahr 2011 z.B. sei – anders als die Bundesregierung behauptet – keineswegs vollständig aufgearbeitet. Wir erinnern uns: ein niedersächsischer Produzent hatte mit EHEK-Keimen belastete Sprossen in den Handel gebracht. Tausende von Menschen erkrankten und leiden zum Teil bis heute an den Folgen, 53 starben sogar.

Dass staatliche Institutionen, deren Aufgabe es ist, Verbraucher vor Schäden zu bewahren, gelegentlich nicht davor zurückschrecken, pflichtbewussten Menschen mit Zivilcourage das Handwerk (in diesem Fall eher das Mundwerk) zu legen, beweist das Schicksal der Veterinärin Margrit Herbst. Als die an einem Schlachthof in Schleswig-Holstein angestellte Tierärztin zwischen 1990 und 1994 mehrere massive Verdachtsfälle von BSE festgestellt hatte, musste sie die Erfahrung machen, dass ihr Dienstherr keinerlei Anstalten traf, die Fälle weiter zu verfolgen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Im Gegenteil: Er verhinderte sogar weiterführende Untersuchungen und gab das möglicherweise kontaminierte Fleisch zur Weiterverarbeitung frei. Als die Veterinärin 1994 den Skandal in einem Fernsehinterview in die Öffentlichkeit gebracht hatte, wurde sie vom Landrat des Kreises Segeberg fristlos entlassen und wegen des Verstoßes „gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit“ verklagt.Drei Jahre später wurde sie rehabilitiert und erhielt 2001 den Whistleblowerpreis. Dass ihr auch das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, hat die damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein zu verhindern gewusst. Soweit die Kurzfassung. In extenso ist die Geschichte nachzulesen in: Dieter Deiseroth und Annegret Falter, Zivilcourage im BSE-Skandal und die Folgen, in: VDW-Materialien 2002. (Weblink: Bericht über die Verleihung des Whistleblower-Preises alsPDF. Dazu auch Dieter Deiseroth: Whistleblowing in Zeiten von BSE. Arno Spitz Verlag, Berlin 2001.)

Die immer wieder gestellte Frage „was kann man denn überhaupt noch essen?“ ist ganz einfach zu beantworten, denn generell gilt: grundsätzlich Lebensmittel meiden, die mehrere Verarbeitungsstufen durchlaufen haben, denn je tischfertiger ein Gericht ist, desto größer kann die Gefahr sein, dass es kontaminiert ist. Sicher ist zudem eines: Es wird vollgepumpt sein mit Zusatzstoffen, auch solchen aus Vorstufen der Herstellung, die zudem nicht einmal deklariert werden müssen. Die Verpackung würde nicht ausreichen, sie in der Zutatenliste alle aufzuführen. Mit zunehmender „Tischfertigkeit“ wächst also auch die Intransparenz. Wesentliche Gründe, möglichst vieles selber zu machen.

Dass das keine Kunst ist und bei weitem nicht so zeitraubend, wie viele befürchten, wird in diesem Blog immer wieder Thema sein.

Das wär’s für heute.

Susanne Luecke

3 Gedanken zu „Noch immer Appetit auf Wurst?

  1. Bravo Frau Lücke,
    wieder ein Artikel, der sich zum Lesen lohnt und den Blick aufs Wesentliche lenkt.
    Was sollen diese Fertiggerichte wie Milchreis, Kartoffelbrei oder Pfannkuchen u.w., die in ihrer Herstellung kaum mehr Zeit erfordern wie das Aufwärmen dieser Gerichte selbst. Woher sollen unsere Kinder wissen, dass Kuchen mit Mehl, Zucker, Eier und Milch hergestellt wird, wenn sie nur noch Pulver in die Schüssel schütten.
    Wo bleibt der Genuss des Zubereitens und des Verspeisens?
    Ihr Artikel ist sehr hilfreich und sollte vielen die Augen öffnen, die meinen, keine Zeit mehr für’s Kochen aufwenden zu können. Schließlich entscheidet jeder selber, was er runterschluckt und was er seinem Körper zumutet. Weiter so Frau Lücke!!!
    Mit den besten Grüßen von oben G.D.

    1. Wenn alle so dächten wie Sie, hätten wir das Problem schnell im Griff. Was bewirken eigentlich die unzähligen Kochshows zu bester Sendezeit? Ob da mal ein Zuschauer nachdenkt und nützliche Konsequenzen daraus zieht? Und so faul kann doch keiner sein, dass er die oft wenigen Minuten scheut, die es kostet, aus Grundnahrungsmitteln etwas zusammenzurühren. – Ich habe als Kolumnistin beim ZEITmagazin mal mit der Stoppuhr die Probe gemacht, was es an Zeitersparnis bringt, wenn man zu einer fertigen Kuchenmischung greift. Es waren wirklich Sekunden! Obendrein muss man ja die teuren Zutaten sowieso noch kaufen. Mein Artikel wurde damals nicht gebracht – ohne Angabe von Gründen des Chefredakteurs! Susanne Luecke

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