Das Unwort zum Sonntag

Als 2010 mehr und mehr Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche ans Licht kamen, ereiferte sich der Schweizer Pfarrer Hans Buschor in dem von ihm gegründeten Fernsehsender k-tv : die eigentlichen Missetäter  seien  die Medien, denn wer den Ruf der Kirche schände, der schände  den mystischen Leib Christi (d.h. die Kirche). Zugleich drückte er dem damaligen Augsburger Erzbischof Mixa seinen tief empfundenen Dank aus, Dank dafür, dass er die Freizügigkeit der Gesellschaft für die Missbrauchsfälle verantwortlich gemacht hatte für die Kirche übrigens über lange Zeit Einzelfälle, auch als sich abzeichnete, dass es sich um ein flächendeckendes Phänomen handelte. (Nach einschlägigen Studien aus den Jahren 2005 und 2006 waren 95 % aller Diözesen und 60 % der Ordensgemeinschaften betroffen.)

Damals fragte ich mich, warum niemand, kein Vertreter der Institution Kirche Anstalten machte, diesem Pfarrer das Mundwerk zu legen. In einem offenen Brief von Hans Küng an die katholischen Bischöfe im April 2010 könnte ein Teil der Antwort zu finden sein:

Es darf nicht verschwiegen werden, dass das weltweit in Kraft gesetzte Vertuschungssystem von klerikalen Sexualvergehen gesteuert war von der römischen Glaubenskongregation Kardinal Ratzingers (1981-2005), wo schon unter Johannes Paul II. unter strengster Geheimhaltung die Fälle gesammelt wurden.

Noch am 18. Mai 2001 sandte Ratzinger ein feierliches Schreiben über die schwereren Vergehen („Epistula de delictis gravioribus“) an alle Bischöfe. Darin werden die Missbrauchsfälle unter das „Secretum Pontificium“ gestellt, bei dessen Verletzung man sich schwere Kirchenstrafen zuziehen kann. Zu Recht fordern deshalb viele vom damaligen Präfekten und jetzigen Papst ein persönliches „Mea culpa“. Doch leider hat er in der Karwoche die Gelegenheit dafür verpasst. Stattdessen hat er sich am Ostersonntag „urbi et orbi“ vom Kardinaldekan seine Unschuld attestieren lassen.“ (zitiert nach Süddeutsche Zeitung, 15. April 2010).

Küngs Kritiker dürften den Finger auf den Begriff „Secretum Pontificum“ legen mit der Bemerkung, da habe der Theologe Küng etwas missverstanden. Das mögen die Gelehrten unter sich ausmachen. Feststeht, dass man innerhalb der Kirche seit Jahrzehnten um Missbrauchsfälle wusste, noch lange bevor in den Medien auch nur ein einziges Wort zum Thema gefallen wäre.

Am vergangenen Mittwoch wurde ein ehemaliger Pater des Stifts Ettal zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. „Ob das Strafmaß des Urteils unserem Gerechtigkeitsempfinden entspricht, das kann man in der Tat bezweifeln“, kommentierte der derzeitige Abt des Stifts den Urteilsspruch.

n.b. Am Montag, 16.3., 23:30,  sendet die ARD den Dokumentarfilm „Das Schweigen der Männer“

Das wär’s für heute.

Susanne Luecke

5 Gedanken zu „Das Unwort zum Sonntag

  1. 1. Jede Religion predikt Wasser und trinkt selber Wein.
    2. Jede Religion hat mit ihren eigenen Glaubenssätzen die meisten Schwierigkeiten.
    3. Jede Religion hat eine doppelte Moral.
    4. Mich wundert vor allem der jüngst einsetzende oeffentliche Entruestungsschrei!
    5. Denn wissen Tuns wir unter vorgehaltener Hand doch alle schon lange.
    Nur wahrhaben wolltens die meisten nicht.
    6. Es gibt doch noch viel mehr Verfehlungen auf diesem Bereich. Nicht nur kriminelle:
    Wieviele Pfarrer haben eine Freundin, gehen ins Bordell oder haben uneheliche.
    Kinder. Hier waere wohl mehrere erstaunt wieviele Allimente hier die Kirche zahlt.
    Die Mutter eines Freundes hatte ein Verhältnis mit einem Pfarrer. Als junger Mann
    Fragte ich ihn nach eventuellen Glaubens Konflikten.
    Da meinte er lapidar. Die Kirche gehe nur an was er in der Kirche mache.
    Privat gehe sie sein Leben gar nichts an.
    Seit dem weiss ich dass die Gläubigen definitiv nur für dumm verkauft werden.
    Als naiver Jüngling dachte ich zumindest dass ihm dieser Glaubens Konflikt doch
    Zusetzen müsste. Nein, der lebt ganz gut damit. The must go on.

    Er in der Kirche mache. Ausserhalb sei das Privatsache. Seit

  2. Das ist eine interessant Haltung. Dabei hat sich die Kirche doch durch Jahrhunderte eingemischt bis in die intimsten Bereiche, und um den Menschen auch dieses letzte Stück Freiheit zu nehmen, hat sie sogar den Schutzengel zum Spion umfunktioniert, der jedes noch so vermeintlich geheime Vergehen dem Allmächtigen zuträgt! In welcher Quelle ich das gelesen habe, weiß ich im Moment nicht; da müsste ich recherchieren.
    Sie kennen den „Pfaffenspiegel“ von Otto von Corvin? Erstauflage: 1845, seitdem immer wieder nachgedruckt. Kritiker werfen ihm „Klitterung“ vor, aber nach meiner Erinnerung belegt er alle seine „Behauptungen“ mit der entsprechenden Quelle (leider finde ich das Bändchen im Moment nicht).

    1. Ja, der hatte nicht die Bohne eines inneren Konfliktes.
      Also irgendwelche Überlegungen zu den Protetanten zu wechseln- Fehlanzeige.
      Den Beruf zu wechseln Fehlanzeige. Aus der Kirche auszutreten Fehlanzeige.
      Im Gegenteil von der Kanzel sonntags zu wettern gegen die fortschreitende Unmoral hatte er keine Probleme.
      Gut er praktizierte und lebte auch in München, da bleibt das private eher privat als am Lande. Ein Schweineprister par excelence sozusagen.
      Wobei er wohl ursprünglich sich zur Heilsbotschaft berufen fühlte.
      Aber ich kenn auch Beamte die auf unseren Rechtsstaat pfeiffen.
      Und ich kenn auch Moslems die im Suff andere verprügeln, weil die gerade Schweinefleisch essen.
      Aber was ich zum Ausdruck bringen will ist, dass die Kirche mit ihren geweihten
      Adlaten wesentlich nachsichtiger umgeht als mit ihren Schäfchen.
      Doppelte Moral in vollster Absicht.
      Normalerweise müsste man Pfarrer, die Kinder zeugen sofort entlassen.
      Tut man aber nicht. Die Kindergärtnerin im Kirchendienst, die sich scheiden lässt aber sofort! Den die Wahrung des Scheines hat hier oberste Priorität.
      So ist auch die Einstellung zum Kindesmissbrauch nachzuvollziehen.
      Dies ist Politik. Ich denke die Betroffenen hätten durchaus Entschädigungen von der Kirche erhalten, wenn sie sich zur Verschwiegenheit arrangiert hätten.
      Denn den Müttern zahlen sie auch anstandslos die Allimente.
      Aber in dem mans öffentlich macht wirds bekämpft.
      Die Kirche wägt hier bewusst ihre Rechtsgüter gegeneinander ab:
      Und der Schein ist hier nun mal das Höchste.
      Kommt wohl vom Glauben an den Heiligen Geist.
      Der ist ja auch nur ein Schein.

    2. Nein kenne ich nicht.
      Der Ausdruck Pfaffenspiegel ist mir aber bekannt.
      Und da er 1845 erschien, also für mich somit noch zur Aufklärung zählend,
      hege ich gegen ihn ohne ihn zu kennen keinen Zweifel!

      1. Der Titel war zunächst: „Historische Denkmale des christlichen Fanatismus“. Der Autor – eine interessante Biographie (s. WIkipedia s.v. Otto von Corvin)!

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