Wandern – nicht nur des Müllers Lust

Durch das gesamte Dokument“(gemeint ist der UN-Migrationspakt) „zieht sich eine Haltung, Migration als etwas Normales und gar Wünschenswertes anzusehen.“ So äußerte sich der Vorsitzende des Bundestagsaussschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Peter Ramsauer (CSU) in einem Interview mit der Tageszeitung WELT vom 19. November.

Aber da irrt der Herr Vorsitzende, zumindest mit seiner (implizit geäußerten) Annahme, Migration sei etwas nicht Normales.

Migration, vom lateinischen migrare, bedeutet nichts Anderes als Wanderschaft, und die scheint in den menschlichen Genen angelegt, seit es Menschen überhaupt gibt. Die (vermutlich) ersten Menschen in Afrika trieb es irgendwann einmal, sich auf Wanderschaft zu begeben, ob wegen Hungers oder aus purer Neugier und Abenteuerlust, aus welchen Gründen auch immer. Und die gibt es in Fülle und unterschiedlicher Art. Den Nomaden ist sie Lebensform schlechthin. Andere brechen auf mit der Absicht, wieder heimzukehren; Pilger zum Beispiel. Vielen ist eine Heimkehr nicht vergönnt, jenen zum Beispiel, die sich auf eine unfreiwillige, eine „Zwangswanderung“ begeben, wie etwa die 12 Millionen Deutsche nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Wer im Mittelalter vor dem Mongolensturm in westlicher Richtung geflohen ist, war auch eine Art Zwangswanderer, nur in geschwinderem Tempo unterwegs. Anders die europäischen Entdecker Amerikas. Deren Movens war zunächst reiner Pragmatismus (ein Seeweg nach Indien hätte den Warenverkehr beschleunigt), später die blanke Gier. Was die Iren im 19. Jahrhundert hat scharenweise nach Amerika auswandern lassen, waren Hunger und Perspektivlosigkeit.(Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor.)

Was trieb die (vermutlich)zentralasiatischen Hunnen nach Gallien, die Ungarn bis an den Lech? Schlichte Raublust? Und warum ergossen sich die ostgermanischen Vandalen über fast ganz Europa und Teile Nordafrikas? Fragen kann man sie leider nicht mehr.

Fazit: Völkerwanderung (der Begriff ist umstritten, weil nicht zutreffend, aber bleiben wir bei der Konvention) ist kein Ausnahmezustand, keine historisch abgrenzbare Epoche, Völkerwanderung ist immer irgendwo auf der Welt, Migration – nicht Sesshaftigkeit – ist Normalität. Seien wir froh, dass die Migranten des 21. Jahrhunderts bei uns anklopfen und uns nicht raubend und brandschatzend überrennen.

Das wär’s für heute.

Susanne Luecke