Ist schon seltsam, was einem manchmal, vollkommen zusammenhanglos, so durch den Kopf geistert. Holtemme zum Beispiel. Oder die Nachricht „Kloster zerstört, Äbtissin und Nonnen verschleppt“. Dann blitzt die Zahl 50 auf, wohl weil mir die immer wieder auffällt.
Holtemme, Holtemme – wer oder was ist denn Holtemme? Nie gehört. Oder Sülze. Naja, das weiß jeder. Oder doch nicht? Ist Bisdorfer Röte ein Krankheitsbild oder die Großlage in einem deutschen Weingebiet, oder was? Nach wenigen Minuten Recherche ist es geklärt: Alle drei sind Nebenflüsse der Bode, die wiederum ein Zufluss der Saale ist. So, jetzt endlich ein Name, der auch uns in Bayern bekannt vorkommt.
„Kloster zerstört, Äbtissin und Nonnen verschleppt.“ Natürlich, schon wieder der IS! Irrtum. Eben nicht: nicht heute, sondern 1631/32 und nicht der IS, sondern die Schweden. Schauplatz: keine christliche Enklave in einem muslimischen Staat, sondern Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Interessant: genau dort, wo heute Rechtsextremisten ihr Unwesen treiben, hat es Anfang des 17. Jahrhunderts so etwas wie einen Vorläufer der Aufklärung gegeben. Darauf könnte man sich doch mal besinnen und an diese Tradition anknüpfen, oder?
Was mir immer wieder unmittelbar aus dem Hirn vor die Füße fällt: die Zahl 50. Diese hartnäckigen 50 Prozent! Auf ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger lassen wir es nicht ankommen – also so ungefähr 50 Prozent sind es, die bei Meinungsumfragen, bei Wahlberteiligung und Volksentscheiden so insistierend auftreten, dass man zwangsläufig zu dem Schluss kommt, dass die Hälfte der Bevölkerung, so weit sie sich bequemt hat sich zu äußern, gescheit ist, die andere Hälfte dämlich. Oder handelt es sich, wie uns immer wieder erklärt wird, um Besorgte einerseits und Sorglose andererseits?
Etwa 52 Prozent stimmten für den Brexit, die Wahlbeteiligung zur Präsidentenwahl in den USA betrug von 1824 bis 2012 im Schnitt 55 Prozent, in der Türkei sind angeblich über 50 Prozent der Bevölkerung für die Wiedereinführung der Todesstrafe, knapp über 50 Prozent der Deutschen greifen inzwischen zu Fertiggerichten und Tiefkühlkost und so weiter. (Die relativ hohe Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen in Deutschland lasse ich unberücksichtigt, die stört meine Statistik.)
Da kommt man schon ins Grübeln, zumindest was die Basisdemokratie angeht.
Freilich, hält man Ausschau nach brauchbaren Alternativen zur Demokratie an sich, sucht man ziemlich vergebens. So jemand wie ein weiser Herrscher, der die Geschicke seines Volkes aus eigener Einsicht, ohne jeden Eigennutz und ohne sich von Lobbyisten etwas einflüstern zu lassen zum Segen aller lenkt, wäre schön. Aber den gibt es nur im Märchen.
A propos „nur“. Auch der Kabarettist Dieter Nuhr kam in seinem Jahresrückblick 2016 ins Grübeln über Wesen und Nutzen der Demokratie. Dass es da ein Problem gibt, ist auch ihm aufgefallen. Aber, sagt er, dieses Problem liegt nicht im System, das Problem sind die Wähler. Da könnte er Recht haben, und das lässt wieder einmal an unseren Nationaldichter Friedrich Schiller denken (ich habe ihn schon einmal in diesem Zusammenhang zitiert). Auch der hat so seine Vorbehalte, denn: „Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn./Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen….. /Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen./Der Staat muß untergehn, früh oder spät,/wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“ (Zitat aus dem Bühnenfragment Demetrius)
Deswegen und nicht nur deswegen: alle guten Wünsche für das neue Jahr!
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Bisdorfer Röte eine Lage in einem Weinbaugebiet – Sehr gut, in die Richtung hätte ich wahrscheinlich auch gedacht 🙂
Womit ich mich nicht anfreunden kann, sind Zweifel am System der Demokratie, wenn Wahlen einmal nicht so ausgehen, wie wir uns das wünschen. Auch ich hätte Trump lieber nicht als US Präsident gesehen, und Großbritannien lieber in der EU gehabt. Aber es sind demokratische Entscheidungen, die ich respektiere.
Das ist eben das Dilemma: eine akzeptable Alternative fällt einem nicht ein. Aber um das System Demokratie sinnvoll anzuwenden, müsste viel mehr getan werden auf dem Gebiet der politischen Bildung. Demokratie bedeutet Anforderung an die Intelligenz (im Wortsinn), ein hohes Maß an Wissen und Bildung des Volkes, der Wähler. Diskutieren, Streitgespräche sollten Pflichtfächer in den Schulen sein.
n.b. bin ich der Meinung, da so viele aus Desinteresse oder Bequemlichkeit nicht zur Wahl gehen (die verdienen die Demokratie nicht), sollte Wählen Pflicht sein.
Vielleicht aber ist es unser Glück, dass viele beim derzeitigen politischen Bildungsstand nicht wählen gehen? Wer weiß. Andererseits – ist die Wahl Trumps dem Umstand zu „danken“, dass in den Staaten traditionell nur etwa ein Viertel bis ein Drittel zur Wahl gehen? (Die genaue Zahl müsste ich nachrecherchieren.) Wer hat sich der Wahl enthalten? Vielleicht hätte Trump noch mehr Stimmen bekommen, wenn mehr Unbedarfte zur Wahl gegangen wären…
Und welche Chancen hat eine Demokratie zu funktionieren im sogenannten „postfaktischen“ Zeitalter? Man könnte verzweifeln, wenn man mal in den diversen Blogs stöbert , angesichts der Dummheit, Ignoranz und Bosheit, denen man dort begegnet. Alles Wahlberechtigte, die sich da äußern. Ob sie von diesem Recht Gebrauch machen, bleibt offen.
p.s. Ich muss mich korrigieren: Die Wahlbeteiligung in den USA bei der letzten Präsidentenwahl betrug 58,9 %. (Also wieder die Zahl 50 …). Das passt in meine Theorie! 🙂
Eher Pseudodemokratisch!
Die Mehrheit hat Trump gar nicht gewählt.
Sondern er hatte nur mehr Stimmen in den Bundesstaaten wos drauf ankommt!
Und der Brexit, eine Frage von Verfassungsrang!
Mit einfacher Mehrheit entschieden!
Das wär wie Verfassungsänderungen bei uns nach Gutdünken
ohne 2/3 Mehrheit!