Noch ein unrühmliches Kapitel für deutsche Politiker und Diplomaten: der Fall der Elisabeth Käsemann, Tochter des Theologieprofessors und Mitglied der „Bekennenden Kirche“ Ernst Käsemann. Sie studierte in den sechziger Jahren Soziologie und Politikwissenschaften in Berlin und ging im Rahmen ihres Studiums als Praktikantin nach Lateinamerika, zunächst nach Bolivien, 1970 nach Buenos Aires. Die große Armut und Ungerechtigkeit in diesem Land berührten sie so, dass sie beschloss, dauerhaft in Argentien zu leben und sich für eine soziale Revolution einzusetzen. Doch die 1976 eingesetzte Militärdiktatur durchkreuzte ihre Pläne und wurde ihr schließlich zum Verhängnis. Mit anderen Gleichgesinnten wurde sie 1977 inhaftiert, gefoltert und noch im selben Jahr durch vier Pistolenschüsse in Rücken und Genick ermordet.
Wie konnte es so weit kommen? Während sich Österreich und Großbritannien für die Freilassung ihrer Staatsbürger einsetzten (Käsemanns Mitstreiterin z.B., eine Britin, war bereits einen Tag nach ihrer Verhaftung wieder auf freiem Fuß), blieb sie selber ihrem Schicksal ausgeliefert. Der deutsche Botschafter, das Auswärtige Amt und der deutsche Außenminister Hans Dietrich Genscher unternahmen so gut wie nichts, um Käsemann zu retten. Der deutsche Botschafter begründete seine Passivität damit, die guten Beziehungen zum Gastland nicht belasten zu wollen, und Genscher, auf das Schicksal der deutschen Staatsbürgerin hingewiesen, soll nur mit einem beiläufigen „…ach, das Mädchen Käsemann“ geantwortet haben. Spätere Forscher, die sich mit dem Fall Käsemann befassten, meinen zu wissen, weshalb diese Gleichgültigkeit: Zum einen wollte man Argentinien als antikommunistisches Bollwerk, aber auch als wichtigen Wirtschaftspartner (vor allem der Waffenindustrie) nicht vergrämen, zum anderen vermutete man in Käsemann eine Sympathisantin der RAF, die in jenen Jahren in Deutschland Terror verbreitete und Morde beging. Sich für das Leben dieser Inhaftierten einzusetzen, wäre nicht opportun gewesen. Käsemanns Schicksal teilten übrigens noch weitere etwa einhundert Deutsche oder Deutschstämmige. Auch sie wurden von ihrer Regierung im Stich gelassen. (Quellen: s. Wikipedia, s.v. Elisabeth Käsemann, unter „Literatur“ und „Dokumentarfilme“)
Wenn vor einigen Tagen der Menschenrechtler Peter Steudtner von der Türkei auf freien Fuß gesetzt wurde, so ist das Grund zur Freude, aber manche Medien sehen in diesem Ereignis nicht mehr als das Ergebnis eines „Kuhhandels“ mit einem Unrechtsstaat. Was auf die vielen weiteren in der Türkei Inhaftierten, unter ihnen zehn Deutsche, zukommt, ist nach wie vor ungewiss. Es bleibt zu hoffen, dass die deutsche Regierung sich anders als damals vehement für die Rettung und das Wohl ihrer eigenen Bürger einsetzt.
So viel für heute.
Susanne Luecke