Was ist eigentlich so schlimm an der auferlegten Quarantäne? Nachdem man für Hygiene des eigenen Rechners durch Entsorgung der alltäglichen Flut von Spam-Mails gesorgt hat, kann man sich doch ganz gut auf die eigentliche Arbeit konzentrieren, oder?
Zwischendurch schnell ein wenig Gymnastik oder gar Nachdenken, zum Beispiel über Hygiene.
Das Wort kommt vom griechischen Hygieia und dem zugehörigen Adjektiv hygieinós, was so viel bedeutet wie der Gesundheit dienlich. Personifiziert erscheint Hygieia als Tochter des Gottes Asklepios, der durch seine Kunst Krankheiten zu heilen und sogar Tote zum Leben zu erwecken vermochte. Interessant, dass schon der römische Polyhistor Marcus Terentius Varro (116 – 27 v. Chr.) vermutete, eine Krankheit (dabei hatte er offenbar die Malaria im Blick) werde wohl durch kleine, dem Auge nicht sichtbare Tiere verbreitet (De agricultura, 1,12,2: animalia quaedam minuta, quae non possunt oculis consequi) , also durch das, was wir Mikroorganismen nennen.
Hygiene ist heute im weitesten Sinn alles, was der Gesundheit und der Bekämpfung und Vermeidung von Krankheiten dient, beschränkt sich also nicht aufs eindringlich empfohlene Händewaschen oder Klinkenputzen (hier mal im Wortsinn).
Freilich gehen einem da unwillkürlich auch beunruhigendes Gedankengut und dessen Konsequenzen durch den Kopf, etwa die „Rassenhygiene“ des Nationalsozialismus oder Punkt 9 aus dem Futuristischen Manifest von Filippo Tommaso Marinetti (publiziert am 20. Februar 1909 in Le Figaro), in dem es heißt: „Wir wollen den Krieg verherrlichen — diese einzige Hygiene der Welt …“.
Nein, dann besser Händewaschen und Abstandhalten.
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Dazu fällt mir ein, dass fast alle meine amerikanischen Freunde unser europäisches Hygienebewusstsein immer schon bedenklich nachlässig fanden. Für die war es völlig normal, mit ganzen Packungen an Desinfektionstüchern und -sprays auf Reisen zu gehen. Sie sahen es mit Kopfschütteln, dass ich im Hotel nicht Türklinken, Telefonapparat und Badarmaturen mit Hygienetüchern abwischte, und mich ins Bett legte, ohne es vorher mit Desinfektionsspray eingenebelt zu haben. Wie konnte ich nur, wo da doch überall schreckliche Keime und Bakterien lauerten!
Im Vertrauen auf Desinfektionssprays gibt es vielleicht in den USA auch ein so mangelhaftes Gesundheitssystem. Im übrigen weiß man ja, dass allzu strikte Hygienemaßnahmen eher schädlich sind, vor allem im Kindesalter. Ein wenig Dreck hilft, ein robustes Immunsystem aufzubauen!