Kurz bevor der mit Aluminium bedampftem Polypropylengewebe verhüllte Reichstag am 7. Juli 1995 wieder freigelegt werden sollte, witzelten die Berliner: Stellt euch vor, der Reichstag wird ausgepackt, und – er ist weg!
Gut, das war ein Scherz, dennoch ist man geneigt, ihn als Denkanstoß zu nehmen, und man kommt unversehens ins Grübeln. Wohin sind die Themen der vorletzten Monate, sozusagen die „vormärzlichen“ Themen, aus den Schlagzeilen entschwunden? Die Klima-Katastrophe, die Erderwärmung, der CO2-Ausstoß, die Fridays for Future, der Diesel-Skandal, die Bundesliga? Alles wie weggeblasen! Je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr wird man von Zweifeln, einer tiefen Skepsis erfasst. Schuld daran ist die zweifellos existentielle Krise, die uns die Viruserkrankung Corona, am 11. März zur Pandemie erklärt, beschert und entsprechend die Schlagzeilen in den Medien beherrscht.
Nun ist uns ja die Redensart „Aus den Augen, aus dem Sinn“ durchaus geläufig. Es gibt sie sogar Kultur– und Landesgrenzen übergreifend: „fuori vista, fuori testa“, bekennen die Italiener zum Beispiel. Aber vielleicht ist die Wahrheit noch viel schlimmer. Existiert denn überhaupt, worüber nicht berichtet wird? Die Schwarze Null zum Beispiel? Gutes Beispiel; die gibt es definitiv nicht mehr. Was vermag schon ein Nichts gegenüber den Milliarden, die nötig sind, die Wirtschaft vor dem Untergang zu bewahren? Die vor Kurzem noch allgegenwärtige Greta Thunberg? Ach ja, die gibt’s noch. Neulich soll sie was gesagt haben, also existiert sie noch. Jogi Löw? Gut, der war schon vor der Corona-Krise weg, aber neulich fiel mal sein Name, er scheint noch nicht aus der Welt.
Nicht aus der Welt, nicht in der Welt: non est in mundo… da war doch was. Richtig, eine Prozessmaxime aus dem römischen Recht! Vollständig lautet sie: „Quod non est in actis, non est in mundo“, auf deutsch: „Was nicht in den Akten ist, ist auch nicht in der Welt.“ Das bedeutet, dass in einem Gerichtsprozess nur das berücksichtigt wird, was schriftlich in den Gerichtsakten niedergelegt wurde.
Heute könnte das heißen: Quod non est in rete, non est in mundo. Cum grano salis, versteht sich.
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Quod non est in rete, non est in mundo – Sehr schön gesagt 🙂
Manchmal habe ich schon das Gefühl, in einer sich immer schneller drehenden Aufregungs- und Empörungsmaschine zu sitzen. In kurzer Reihenfolge tauchen immer neue Themen auf, an denen anscheinend das Schicksal der Welt hängt, und zu denen jeder und jede eine Meinung abgeben muss. Der jeweils neueste Aufreger verdrängt seine Vorgänger, die gerade noch von entscheidender Wichtigkeit waren: #BLM, Fridays for Future, #metoo, Dieselskandal, TTIP, Hambacher Forst, Syrien, IS …