Durch einen Leitantragsentwurf zum Thema „Integration durch Sprache“ hatte die CSU landesweit für Kritik und Häme gesorgt. In dem Entwurf wurde u.a. gefordert, dass Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben möchten, dazu angehalten werden sollen, im öffentlichen und privaten Raum Deutsch zu sprechen. Inzwischen wurde der Wortlaut variiert. Migrantinnen und Migranten sollen nunmehr nur „motiviert“ werden, die deutsche Sprache im täglichen Leben zu gebrauchen.
Die Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung der LMU München haben sich mit folgendem Schreiben eindeutig positioniert:
Zweisprachiges Aufwachsen schadet nicht, es ist vielmehr eine große Bereicherung für das Individuum und für die Gesellschaft. Denn Mehrsprachigkeit bringt kognitive Vorteile, fördert das sprachliche Bewusstsein sowie die allgemeine Sprachfähigkeit (z.B. den Erwerb weiterer Fremdsprachen).
Deutschland ist ein mehrsprachiges Land – neben verschiedenen Dialekten werden zudem zahlreiche alteingesessene sowie eingewanderte Minderheitensprachen gesprochen. Diese prägen die sprachliche Vielfalt unseres Landes.
In Deutschland stellt der Erwerb der deutschen Sprache eine wichtige Grundlage für Integration und Beruf dar. In einem vielsprachigen Europa allerdings birgt der Erwerb von mehreren Sprachen zusätzliche Chancen, sowohl auf soziokultureller und ökonomischer als auch auf individueller Ebene. Frühe Mehrsprachigkeit bildet in diesem Zusammenhang eine besondere Ressource.
Für einen optimalen Spracherwerb benötigen Kinder sprachliche Vorbilder. Elterliche Bezugspersonen sollten in der Sprache mit ihren Kindern sprechen, in der sie sich selbst am wohlsten fühlen.
Sprache ist Träger emotionaler und kultureller Werte, die in den jeweiligen Muttersprachen zum Ausdruck kommen. Wird die Muttersprache der Eltern aufgegeben, kann die emotionale Bindung der Kinder zu ihren Eltern gestört werden. Darüber hinaus kann es dazu führen, dass sich die Kinder nicht mehr mit Familienangehörigen, wie z.B. den Großeltern, die im jeweiligen Herkunftsland geblieben sind, verständigen können.
Der Erwerb einer (nicht-deutschen) Familiensprache und des Deutschen sollte sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich bestenfalls im Sinne einer ganzheitlichen Sprachförderung ergänzen. So sollte die sprachliche Förderung sich nicht auf das Deutsche als Zweitsprache beschränken, sondern vielmehr einem Konzept zur Förderung von Zwei- oder Mehrsprachigkeit entsprechen.
Internationale Forschungsstelle für Mehrsprachigkeit
Prof. Dr. Claudia Maria Riehl
Till Woerfel
Julia Meyer
Prof. Dr. Angela Hahn (Institut für Englische Philologie)
Prof. Dr. Thomas Krefeld (Institut für Romanische Philologie)
PD Dr. Katrin Lindner (Institut für Deutsche Philologie)
Prof. Anthony Rowley (Institut für Deutsche Philologie)
Dr. Edith Funk (Institut für Deutsche Philologie)
Dr. Alexander Glück (Institut für Deutsche Philologie)
Dr. Anne-Katharina Harr (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Dr. Michael Schnabel (Institut für Deutsche Philologie)
Teresa Barberio (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Melanie Eibl (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Rafaela Erl (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Nikolas Koch (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Felix Steffan (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Eleni Tasiopoulou (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Nicole Weidinger (Institut für Deutsch als Fremdsprache)
Seda Yilmaz Woerfel (Institut für Deutsch als Fremdsprache
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Ach, da lassen die Professoren mal aus dem Elfenbeinturm von sich hören? Im Migrationsreport des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sieht die Analyse anders aus: „Insgesamt ist der Sprachstand von Migrantenkindern als problematisch zu beurteilen. Bei Sprachstandserhebungen im Vorschulalter zeigten sich Defizite bei mündlichen Sprachfertigkeiten wie Sprachverstehen und Wortschatz …
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund hinken hinsichtlich ihrer Lesekompetenzen weit hinter Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund her.“
Quelle: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/WorkingPapers/wp14-sprachliche-integration.pdf?__blob=publicationFile
Natürlich kann man niemand vorschreiben, welche Sprache er zuhause sprechen soll. Mir erscheint das aber als selbstverständlich. Wäre ich mit meiner Familie ausgewandert, dann wäre es mir extrem wichtig gewesen, dass meine Kinder schnell die Sprache des Gastlandes lernen.
Danke zunächst für die sehr willkommene Quellenangabe, in die ich mich noch vertiefen muss! – Aus meiner (jetzt etwa dreimonatigen) Erfahrung als „Deutschlehrerin“ für vier erwachsene Nigerianer muss ich zwei Dinge sagen:
zum einen haben sie selbst mir entschieden erklärt, sie wollten, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen. Das heißt: zu Hause wird die Muttersprache gesprochen (es handelt sich nach meinen Recherchen um zwei Dialekte der Niger-Kongo-Sprachgruppe), „draußen“ deutsch. So haben wir es in Toronto mit unserem damals Fünfjährigen auch gehalten und festgestellt, dass er (natürlich ohne jegliche Vorkenntnisse) in kurzer Zeit im Kindergarten englisch verstand und redete, obwohl wir zu Hause deutsch sprachen.
Das große Problem sind die Erwachsenent: wie sollen Kinder deutsch lernen von jemandem, der es selber nicht kann? Im Fall der Nigerianer besuchen die Väter jetzt seit drei Monaten einen staatlich getragenen Deutschkurs. Obwohl dort nur deutsch geredet wird (da sind Flüchtlinge aus allen Herren Länden, viele ohne Englisch), sind sie kaum in der Lage, sich verständlich auszudrücken. Es hapert an allem: Grammatik, Phonetik, Vokabular. Dabei sind beide intelligent und sehr engagiert.
Ich zerbreche mir den Kopf über einem brauchbaren Konzept, und dabei helfen mir die Schüler selber. Ich muss herausfinden, welche Art von Lernen ihnen angemessen ist. Da ist also auch ein Stück Psychologie beteiligt.
Das Kreuz ist halt, dass sie kein berufliches Umfeld haben, wo man eben mit Kollegen deutsch spricht und in der Praxis erlernt.
S.L.
Ich erlaube mir einmal den Focus etwas zu veraendern: Welche Möglichkeiten bieten Bayerns Schulen seit Jahrzehnten für die vielen zugewanderten Italiener und Türken ihre Sprache zu praktizieren? Oder jetzt die Spanier? Keine! Stattdessen nur das unbrauchbare Latein oder Französisch.
Jeder Auslandsdeutsche sucht als erstes Schulen für seine Kinder in der sie auch deutsch lernen, falls dies mal zurück ins Land ihrer Väter wollen. Eine unsäglichen deutsche Arroganz: Die Maßstäbe mit der wir uns und andere betrachten!
Da gebe ich Ihnen absolut Recht. Und heute? Politiker fordern lauthals, Sprachkenntnisse in Deutsch seien die unerlässliche Voraussetzung für eine Integration, aber mit entsprechenden Angeboten hält man sich zurück, so dass die Nachfrage nach Deutschkursen bei weitem nicht gedeckt wird. So übernehmen viele Ehrenamtliche, was Professionelle leisten sollten, und müssen erst einmal ihrerseits an Kenntnissen erwerben, was sie dann weitergeben. Deutsch können und Deutsch lehren sind zwei verschiedene Schuh.
Übrigens am Rande eine Bemerkung zum „unbrauchbaren“ Latein: ich kenne einen Ungarn, der 1956 vor der Revolution im eigenen Land geflohen war und sich zu Anfang an der Uni (in Freiburg) mit einem Kommilitonen auf Latein verständigt hat! Er wurde später Professor und ein namhafter Kunstkritiker. So kann’s gehen…
Dafür gibts heutzutage Englisch.
Englisch sollte auch gleichberechtigte Unterrichtsprache ab einer Jahrgangsstufe in Europa werden.
Latein ist dafür als tote Sprache nicht geeignet!
Für eine Unterhaltung sind tote Sprachen dies sowieso nicht.