Rom, 24. Oktober 2016
An diesem Vormittag waren am Flughafen Fiumicino wieder einmal Flüchtlinge aus Syrien angekommen – ganz legal, mit einem Visum ausgestattet und in Empfang genommen von Andrea Riccardi, dem Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio, dem italienischen Außenminister Paolo Gentiloni und dem Vizeinnenminister Filippo Bubbico. Auf einer Pressekonferenz beschwor letzterer die Solidarität der italienischen Zivilgesellschaft, und Gentiloni appellierte an die europäsche Gemeinschaft, diesem Beispiel bald zu folgen.
Doch ist zu befürchten, dass Gentiloni das Schicksal eines Rufers in der Wüste beschieden sein wird. Wie kann jemand gehört werden, dem man de facto den Mund verbietet? Die Nachrichten über dieses humanitäre Unterfangen fließen nämlich so spärlich, dass sie kaum jemand erreichen. Darüber berichtet wird – jedenfalls in den deutschen Medien – vorzugsweise am Rande, also nicht zur besten Sendezeit, sondern möglichst dann, wenn die meisten von uns ins Bett gefallen sind, so etwa in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober im Rundfunk (ARD-infonacht), und an eher abgelegenen Orten wie etwa Radio Vatikan, das schon im vergangenen Juni eines der wenigen Medien war, die – damals – über die Ankunft der ersten 100 Flüchtlinge in Rom berichteten. Kein Wort darüber (soweit ich das verfolgen konnte) in den Mainstreamnachrichten, in denen hingegen Anfang des Jahres über einen längeren Zeitraum täglich über Belästigungen junger Frauen durch nordafrikanische junge Männer berichtet wurde.
Das ökumenische Projekt jener „humanitären Korridore“ (corridoi per i profughi più vulnerabili) startete bereits im Dezember vorigen Jahres. Initiatoren waren die christliche Laien-Gemeinschaft Sant’Egidio, die Union der Evangelischen Kirchen Italiens und die Waldenser. Sie tragen auch die Kosten für dieses Unterfangen, die sie aus Kirchensteuer und Spenden bestreiten, während der italienische Staat die Formalitäten übernimmt, Flüchtlingen unter bestimmten Voraussetzungen die legale Einreise per Visum über seine Botschaften in Marokko, Äthiopien und dem Libanon zu ermöglichen.
Inzwischen sind Hunderte von Flüchtlingen, die „bedürftigsten“ unter ihnen (nicht angemessen übersetzt, denn im Italienischen ist von den più vulnerabili, den verwundbarsten, die Rede) durch diese „humanitären Korridore“ nach Italien gekommen, wo sie von Familien in verschiedenen italienischen Städten aufgenommen oder notfalls sofort in ein Krankenhaus gebracht und operiert werden.
Gedacht ist zunächst einmal an die Aufnahme von 1000 Flüchtlingen – ein „Tropfen auf den heißen Stein“, wie die Initiatoren selber einräumen. Doch wenn möglichst viele europäische Länder diesem Modell folgen, könnte aus dem heißen bald ein kühler Stein und aus dem Tropfen ein See werden, auf dem sicher zu navigieren wäre.
Mehr dazu hier:
Währenddessen glänzt die deutsche Bürokratie durch Ineffizienz, indem sie in kontraproduktiver Regulierungswut geradezu gegen die von der Politik wortreich beschworene Integration arbeitet. Bespiele: jene syrische Mutter mit zwei kleinen Kindern, der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß dem Verteilungsschlüssel auferlegt, in einem der alten Bundesländer zu bleiben, obwohl sie zu ihrer Schwester nach Thüringen ziehen könnte, wo Wohnung, Arbeit und Kindergartenplatz für sie bereit stehen. Oder: Flüchtlinge und Asylbewerber, denen monatelang zu arbeiten verwehrt wird, obwohl sie einen Arbeitsplatz vorweisen können, oder die dazu verdammt sind, in Gemeinschaftsunterkünften auszuharren, obwohl sie bei Freunden oder Verwandten unterkommen könnten, und so weiter und so fort.
Wann wird sich die Vernunft gegenüber der Bürokratie durchsetzen?
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Stimmt, das Thema findet in den großen Medien erstaunlich wenig Beachtung. Danke für den Hinweis.
Danke für den Hinweis. Das Thema findet in den großen Medien tatsächlich erstaunlich wenig Beachtung.
.. man muss sagen dass die Italiener viel Verstaendnis fuer die Fluechlinge haben, und man kann nur hoffen dass andere Europastaaten auch nur halb so grosszuegig sein koennten.Anstatt Zaeune sollte man mehr Unterkuenfte bauen