Lieber einen Terroristen im Haus …

Vor vielen Jahren sagte mir einmal eine kanadische Journalistin, sie habe lieber einen Terroristen als die Polizei im Haus. Ich war damals irritiert und habe seitdem häufig darüber nachgedacht. Als kürzlich die ARD in ihrer Sendung „Europamagazin“ eine Meldung in den Printmedien aufgriffen und über einen jungen Polen berichteten, der (wie sich später herausstellte, obendrein unschuldig) im Mai 2016 in Breslau von der Polizei mit einem Elektoschocker traktiert, verprügelt und getreten wurde und schließlich an den Folgen starb, war mir dieser Satz spontan wieder präsent. Die verantwortlichen Beamten wurden zunächst nicht zur Rechenschaft gezogen, da im polnischen Strafgesetzbuch der Tatbestand der Folter fehlt. Erst nachdem das Fernsehen Aufnahmen von den Misshandlungen publiziert hatte, wurden die Täter aus dem Polizeidienst entlassen.

Kein singulärer Fall, auch nicht in Deutschland. Übergriffe durch Polizisten haben sogar schon Amnesty International beschäftigt. Die Übergriffe sind das eine, die Aufklärung mutmaßlicher Straftaten das andere. An ernsthaftem Aufklärungswillen scheint es besonders dann zu mangeln, wenn es um rassistisch motivierte Handlungen geht.

In einem Bericht mit dem Titel „Leben in Unsicherheit“ von 2016 dokumentiert Amnesty International zahlreiche Fälle, in denen Opfer fremdenfeindlicher Gewalt von deutschen Behörden „nicht ernst genommen ,[wurden]“. Ihre Recherchen haben ergeben, dass „die Ermittlungsmethoden und -abläufe in Fällen mutmaßlicher polizeilicher Misshandlung beziehungsweise unverhältnismäßiger Gewaltanwendung bedauerlicherweise noch nicht den Grundsätzen entsprechen, die in den von Deutschland unterzeichneten Menschenrechtsabkommen verankert sind.“

Nicht zuletzt ein Blick auf die USA. SPIEGEL online vom 25. April 2011 schreibt: „Durch Berichte über Misshandlungen, Erniedrigungen und Folter von Häftlingen wurde Guantanamo zum Synonym für die willkürliche und unmenschliche Behandlung von Gefangenen.“

All die hier angesprochenen Menschenrechtsverletzungen haben nicht etwa Polizeistaaten zu verantworten, sondern Demokratien, die sich als Rechtsstaaten verstehen.

Wer möchte schon einen Terroristen im Haus haben? Das Gefährliche an der Polizei aber ist, dass sie sich im Prinzip auf ihr Recht berufen kann.

Das wär’s für heute.

Susanne Luecke

3 Gedanken zu „Lieber einen Terroristen im Haus …

  1. Es gibt in Deutschland jährlich rund eine halbe Million polizeilich erfasster Fälle von Körperverletzung. Der angesprochene Bericht von Amnesty International dokumentiert drei Fälle, in denen die Polizei mögliche rassistische Tathintergründe nicht ernst genommen hat. Daraus wird von AI gefolgert: „Die oben genannten Fälle sind Ausdruck eines Versagens der Polizei, umgehend effektive, unparteiische, angemessene und gründliche Untersuchungen von rassistischen Straftaten durchzuführen…“
    Es mag sicher eine höhere Dunkelziffer geben, aber aus drei Fällen auf ein „Versagens der Polizei“ zu schließen, erscheint mir sehr gewagt.

  2. Das ist sicher richtig. Mir kommt es aber weniger auf die Zahl polizeilicher Übergriffe an, sondern auf das Prinzip, das in meinem letzten Satz zum Ausdruck kommt.

  3. Die Polizei wird in der Regel nur mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss in deiner Wohnung stehen. Terroristen kümmern sich im Allgemeinen wohl nicht um die Feinheiten von § 102 der Strafprozessordnung.

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