* Wussten Sie, dass der Europarat eine Freilassung Julian Assanges gefordert hat, weil dessen Inhaftierung und strafrechtliche Verfolgung einen „gefährlichen Präzedenzfall für Journalist*innen“ darstelle?
* Wussten Sie, dass Nils Melzer, der Sonderberichterstatter für Folter der Vereinten Nationen, die Haftbedingungen und das gesamte bisherige Verfahren gegen Assange scharf kritisiert hat?
* Wussten Sie, dass Herta Däubler-Gmelin, von 1998 bis 2002 Bundesministerin der Justiz, die Bundesregierung aufgefordert hat, Assange in Deutschland Asyl anzubieten?
Nein? Doch das ist nicht verwunderlich. In den Mainstream-Nachrichten wird so gut wie nichts über den Fall Assange berichtet. Die entsprechenden Informationen muss man sich im Internet zusammenklauben. So erfährt man schließlich z.B., dass „die Bundesregierung“ (so die Antwort auf eine Nachfrage von Abgeordneten im Februar 2020) „an der Rechtsstaatlichkeit und Arbeitsweise der britischen Justiz keinerlei Zweifel“ hat, und dass das Auswärtige Amt „zu den Haftbedingungen Julian Assanges keine eigenen Erkenntnisse“ habe.
Dass in den Mainstream-Nachrichten – etwa dem Heutejournal des ZDF oder der Tagesschau der ARD – über den Prozessverlauf im Fall Julian Assange so gut wie nichts berichtet wird, wurde in meinem Beitrag vom 26. Februar bereits angesprochen. Ich habe inzwischen versucht, den Gründen dafür nachzugehen.
Zunächst einmal: Es gibt keine Informationspflicht der Presse, die juristisch einklagbar wäre. Der Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbands, Hendrik Zörner, empfiehlt daher, in Ermangelung einschlägiger Informationen in den Mainstream-Nachrichten weiterhin online nach entsprechenden Veröffentlichungen zu suchen.
Am ehesten erreichten uns Desinformationen über Assange. In seinem Newsletter vom 23. Februar („Denkt an Assange! Eine Abschreckung“) bringt es Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt: „Wir wissen plötzlich alle, dass er ein Vergewaltiger ist, ein Hacker, Spion und Narziss. Und die von ihm enthüllten Missstände und Kriegsverbrechen verblassen im Dunkeln.“
Eine Zusammenfassung der Beiträge zum Fall Assange in der Presse findet sich übrigens unter dem Link:
https://netzpolitik.org/2020/so-kommentiert-die-oeffentlichkeit-das-verfahren-gegen-julian-assange/
Meine Bitte an die Pressestellen von ARD und ZDF, Argumente für die Zurückhaltung von einschlägigen Informationen zu nennen, blieb bislang unbeachtet.
Das wärs für heute.
Susanne Luecke