Kultur am Tropf
Wofür der Staat Geld ausgibt und wie viel, kann man nachlesen, zum Beispiel im „Statistischen Jahrbuch“ des Statistischen Bundesamts. Wofür er kein Geld ausgibt und wie viel, ist verständlicherweise nirgends nachzulesen. Das kann man nur hochrechnen aus dem Mangel, dem Geld, das bei Einrichtungen für Kultur und Bildung an allen Ecken und Enden fehlt.
Angesichts der Politik, die sich damit brüstet, wie gut es uns doch gehe (O-Ton Horst Seehofer: „Das ist der beste Haushalt, den der Freistaat jemals hatte“), möchte man annehmen, dass von einem Defizit überhaupt keine Rede sein könne. Aber weit gefehlt!
Dass an Kultur und Bildung gespart wird, ist nicht neu. Schon Wolfgang Menge sagte in seinem Bestseller Der verkaufte Käufer (1971), dass bei uns nicht Überfluss herrsche, sondern Mangel, das sehe man zum Beispiel am Zustand unserer Schulen. Damals befand sich Deutschland immerhin noch in der Phase boomender Wirtschaft der Nachkriegszeit. Schon damals fehlte es offenbar an einer mächtigen Lobby der Kulturschaffenden, die in der Lage gewesen wäre, Druck auf den Staat auszuüben. Der Staat kann es sich leisten, vor den großen Ferien nicht verbeamtete Lehrer in die Arbeitslosigkeit zu entlassen (laut „Süddeutsche Zeitung“ waren es im Jahr 2012 bundesweit 5400 Betroffene). Er kann es sich leisten, der Akademie der Schönen Künste in München Haushaltsmittel zu gewähren, die nicht einmal die Bewirtung von Gästen ermöglichen. Da sei die Akademie, wie deren Präsident Michael Krüger kürzlich in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte, auf die Großzügigkeit der Friedrich-Baur-Stiftung angewiesen. Der Staat (das „Kulturland Bayern“, Zitat Horst Seehofer) schämt sich offenbar nicht, auch eine Institution wie die Hochschule für Musik und Theater in München, eine der ältesten und traditionsreichsten Ausbildungsstätten für Musik und Theaterberufe Deutschlands, mit einem Etat auszustatten, der gerade einmal die „Anschaffung einer Querflöte“ (Michael Krüger) im Jahr erlaubt. Dieses Bild sei zwar metaphorisch zu verstehen, so Siegfried Mauser, Präsident der Musikhochschule, doch die zur Verfügung stehenden Gelder seien nicht gerade üppig.
Kultur ist seitens des Staates offenbar nur dann förderungswürdig, wenn es sich um Kulturwirtschaft handelt und um Institutionen, die unserem Image als Kulturstaat dienen und, auf Hochglanz poliert, weithin sichtbar sind. Bund und Länder ersinnen die Parolen, Parolen wie die von der „Bildungsrepublik Deutschland“ oder jener von der „Willkommenskultur“, die Umsetzung überlassen sie den Kommunen, die selbst oft an finanzieller Auszehrung leiden, den Kulturschaffenden selbst und einem Heer von Ehrenamtlichen, von denen der Staat anscheinend grenzenlosen Idealismus (in diesem Fall ganz und gar nicht „finanzieller Art“, Zitat Christine Haderthauer) und einen Anstand, den umgekehrt er nicht verdient, denn ein unanständigeres Verhalten als das seine ist schlecht zu überbieten.
Freilich, der Staat kann nicht mehr Geld ausgeben, als seine Bürger ihm mit ihren Steuern zur Verfügung stellen. (Die Zeiten, in denen ein Ministerpräsident Strauß seinen Freunden Beckenbauer und Jahn höchstpersönlich zur Steuerflucht in die Schweiz verhalf, scheinen Vergangenheit – falls diese Annahme nicht zu naiv ist.) Aber er hat die verdammte Pflicht, dieses Geld gerecht zu verteilen! Dass es mit der Gerechtigkeit allerdings nicht so weit her ist, hat Dieter Hildebrandt in seinem autobiographischen Buch „Nie wieder achtzig!“ (Heyne Tb 2008, p. 36) auf den (oder mindestens einen) Punkt gebracht:
„Warum kann ein Club, eine Fußballaktiengesellschaft, bei deren Generalversammlungen sich Ministerpräsidenten und Oberbürgermeister als Aufsichtsratsmitglieder präsentieren, auf dem Sklavenmarkt einen argentinischen Mittelfeldkicker für 15 Millionen Euro kaufen, sich aber die Sicherheitsgebühren von den Stadtverwaltungen bezahlen lassen?“
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Liebe Susanne Lücke, ‚Nestbeschmutzer‘ ist ein wirklich vergnüglich zu lesendes Blog, das ich leider erst jetzt entdeckt habe. Um dieses Blog ein bisschen bekannter zu machen, habe ich ‚Nestbeschmutzer‘ in meinem eigenen Blog vorgestellt: http://schondorf.blogspot.de/2014/10/schondorf-die-blogger-metropole.html
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit – und diesen Dank zugleich an alle, die bisher Kommentare hinterlassen haben. Leider habe ich wenig Zeit, mein Blog so zu pflegen, wie ich es gern möchte. Die Recherche nimmt immer schon genügend Zeit in Anspruch.
Susanne Luecke