Euro trash

Das hat nichts mit Kritik an der EU zu tun, sondern fällt für die englisch sprechende Welt u.a. in die Kategorie Kulturmüll und meint im Besonderen europäische, zumal deutsche extravagante, trivialisierende Inszenierungen klassischer Bühnenwerke. Viele Amerikaner verzichten längst auf lange Reisen und teure Tickets für Bayreuther und sonstige Opernfestspiele, weil sie nicht geneigt sind, über eventuelle Absichten und Anspielungen hinter einer banalen Fassade nachzudenken.

Wir Bewohner von Good Old Europe sind da anders. Wir schauen uns diesen „trash“ immerhin an und schlagen uns am Ende einer Aufführung entweder auf die Seite der Buhrufer oder auf die derer, die Mut zum Banalen und skurrilen Einfallsreichtum eines Regisseurs enthusiastisch bejubeln. Wir sind sogar bereit zu grübeln, weshalb Pamina und Tamino in Raumfahreranzügen Balanceakte auf überdimensionalen Luftmatratzen vollführen, warum die Rheintöchter ausgerechnet vor den Augen der Öffentlichkeit ihre Wäsche aufhängen müssen oder weshalb Alberich wohl so einen Zorn auf eine harmlose Gummiente entwickelt, um schließlich zu scheitern in unserem Versuch, das vermutete Hintergründige tatsächlich aufzuspüren. Am Ende kommt uns gar der Verdacht, das Einzige, was den Regisseur an der Originalfassung eines Werks noch stört, könnte die Musik eines Händel, Mozart oder Wagner sein.

Nachdenkenswert scheint da, was Dietrich Hilsdorf jetzt in seiner Inszenierung des „Rheingold“ in der Deutschen Oper in Düsseldorf realisiert hat, jedenfalls wenn man der Premierenkritik von Peter Jungblut im Bayerischen Rundfunk folgt. Er sagt, Hilsdorf sei der erste Regisseur, der mit dieser Inszenierung das heikle Thema des Wagnerschen Antisemitismus aufgegriffen habe, und er belegt diese These detailliert (nachzulesen unter diesem Link: https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/premierenkritik-rheingold-wagner-oper-rhein-duesseldorf-100.html).

Kunst oder politische Ausrichtung, darf man die gegeneinander aufwiegen? Sollte man Luthers Bibelübersetzung auf den Scheiterhaufen werfen, weil ihr Autor antisemitische Äußerungen von sich gegeben hat? Wie lange können historische Voraussetzungen als Rechtfertigung gelten?  

Als Daniel Barenboim 2001 den Mut hatte, in einem Konzert in Israel Musik des „Antisemiten“ Wagner, Hitlers Lieblingskomponisten, aufzuführen, hatte er es sich mit dem Publikium verscherzt, zumindest hatte er es mit seinem Taktstock tief gespalten.

Was aber zählt mehr, was hat mehr Gewicht? Die künstlerische Leistung oder die Weltanschauung? Was wäre gewesen, hätte Hitler das malerische Talent eines Rubens gehabt statt ein mittelmäßiger Postkartenmaler zu sein und wäre zugleich der Massenmörder und Weltzerstörer gewesen, der er war?

Machen wir’s uns leicht: dann hätte er den Verbrecher, der er geworden ist, vermutlich nicht nötig gehabt. Das Schicksal hätte das wissen sollen.

Das wär’s wieder mal.

Susanne Luecke

 

 

Ein Gedanke zu „Euro trash

  1. Eine hübsche Idee: Hätten die Massenmörder und Weltzerstörer nur mehr Talent gehabt, dann hätten Sie ihre Geltungssucht auf künstlerischem Gebiet ausleben können. Wir hätten eine friedliche Zeit hinter uns und würden uns an den Symphonien Stalins, den Gemälden Hitlers oder den Skulpturen von Pol Pot erfreuen.
    Ich denke nicht, dass die Werke eines Künstlers wegen seiner Weltanschauung geächtet werden sollten. Aber die Geisteshaltung des Schöpfers sollte thematisiert werden, statt einem blinden Geniekult zu folgen. Gerade bei öffentlichen Ehrungen sollten beide Aspekte, der Künstler uind der Mensch, berücksichtigt werden.

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