Ein Kapitel aus meinem „Schondorfer Schreibheft“ (in der Gemeindebücherei Schondorf).
Januar 2002. „Für uns ein beunruhigender Jahresanfang. Gestern hörten wir, dass das Gasthaus zur ‚Post‘ drunten am See neben der romanischen Kirche verkauft ist und abgerissen werden soll, samt der Remise, die die Jahreszahl 1906 trägt. Den ganzen Winter über war die ‚Post‘ geschlossen und sah verdächtig tot aus.
Schon wird wieder etwas Geschichte sein, schon fällt wieder etwas der Erinnerung anheim. Ein Versuch, die Empörung, den Zorn, die Trauer um ein prächtiges architektonisches Ensemble (steht es eigentlich unter Denkmalschutz wie die Gebäude an der Landsberger Straße 42?) zu bekämpfen; ein Versuch, mich selber reinzuwaschen vom Verdacht, hoffnungslos konventionell, eine ewige Kritikerin, eine Nörglerin, eine Querschlägerin zu sein, endet bei meinem ‚ Poesiealbum‘, das ….. in der Volksschule sich mühsam von Hand zu Hand quälte. Der dunkelblaue Einband ist mit einem Relief geschmückt, das ein Segelschiff in heftig bewegter See darstellt, begleitet von einer Möve oder einem Albatros. Die Symbolik habe ich damals nicht gesehen, später erst schöpfte ich Verdacht…“
Ich überspringe hier eine längere Passage und fahre mit dem Wesentlichen fort. In besagtem Album steht ein Satz Fontanes, dessen Name mir damals, weiß Gott, wenig sagte: “Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben, doch für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.“ … Jetzt, da die ‚Post‘ samt Remise demnächst der Spitzhacke zum Opfer fallen soll, frage ich mich, ob sie zu jenem Alten gehört, das Anspruch darauf hat, von uns geliebt zu werden, und ob das Neue an seiner Stelle geeignet sein wird, dass wir recht eigentlich dafür leben. Kein Biergarten mehr, keine Kastanienbäume, in deren kühlendem Schatten wir saßen und hinausschauten auf den besonnten See, der sich in zartblauem Dunst in die Ferne verlor?
Gerade entdeckt in einem volkskundlichen Werk des neunzehnten Jahrhunderts (des Karl von Leoprechting): Damals beklagt der Autor die Sicherheitsbestimmung, Backöfen nicht mehr im Haus zu betreiben, sondern den Backvorgang auszulagern, also isolierte Backöfen, eigentlich Backhäusel, zu bauen, die der Autor ästhetisch abstoßend findet, während wir Heutigen bei deren Anblick einen nostalgischen Schluckauf bekommen und vor Entzücken in Hexenhäuschenromantik verfallen. … Nach der Erinnerung kommt das Vergessen. Glücklich die, die keine Erinnerungen haben. Es ist etwas Anderes, an den historischen Schnittstellen zu stehen, Zeugen von Zerstörung, der Vernichtung zu sein, Zeugen der Erneuerung und dann des Neuen zu werden. Das ist eine Zumutung der Zeitläufte.
Werden die Kastanien überleben dürfen? Wie wird das Neue aussehen? … Bange Erwartung. – Allmählich ist mehr zu erfahren. Gerüchte? Auch eine Tiefgarage soll es geben. Wir wollen es genau wissen. Also ins Rathaus. Der Bürgermeister weiß auch noch nicht mehr, als dass der alte Gasthof und die zugehörige Remise verkauft sind und wohl abgerissen werden sollen. Sonst noch nichts, keine Pläne, kein Modell. Es ist zu befürchten, dass es lange dauern wird.“
Oh ja! Das ist jetzt 16 Jahre her, und der Antrag auf eine Änderung des Bebauungsplans von 2008 trägt die Jahreszahl 2018.
Das wär’s für heute.
Susanne Luecke
Am 27. März, 19:00 Uhr ist zu dem Thema eine Sitzung des Ausschusses für Dorfentwicklung. Vertreter von Denkmalamt und katholischer Kirchenverwaltung kommen anscheinend auch, vielleicht gibt es Pläne zu sehen.
Hoffentlich gibt es die Pläne, die bisher nur ein kleiner Kreis kennt, zu sehen.
Wenn Altes dem Neuen weicht, dann muss das nicht immer schlecht sein…
Fortschritt muss nicht liebgewordene Gewohnheiten, Mechanismen oder Gebäude in Vergessenheit verbannen und als unrentabel brandmarken – und Nostalgie muss nicht immer Romantik mit Stillstand gleichsetzen.
Lasst uns die neue Planungsvorstellung studieren und diskutieren; dem Neuen den angemessenen Raum geben und als Impuls für Schondorfs Entwicklung annehmen.
Mein Wunsch wäre, dem Jakobskirchlein seine besondere Wertigkeit zu erhalten und die Gemütlichkeit des typisch Bayerischen Biergartens weiterhin ins Zentrum zu stellen , weil ich seit über 40 Jahren dort immer gerne Einkehr gefunden habe…….
Das ist es: man möchte nicht in einem Heimatmuseum leben, aber das Neue sollte im Dialog mit dem Alten stehen und ihm nicht selbstherrlich den Rücken kehren.