Fukushima – und wie war es doch gleich mit Windscale?

Dritter Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Noch sind die Folgen für Gesundheit und Umwelt nicht abzusehen, noch kämpfen Überlebende gegen ihre Traumata und für eine Entschädigung durch die Betreiber des  verunglückten Reaktors, da schaut die japanische Regierung bereits unbekümmert  auf das Jahr 2020, in dem die  Olympischen Sommerspiele in Tokio stattfinden sollen.

2020 – war da nicht noch etwas? Richtig – die maroden Kernkraftanlagen von Sellafield im Nordwesten Englands sollen bis dahin stillgelegt sein. Geschätzte Kosten: 78 Milliarden Euro. Die Anfänge dieses Nuklearkomplexes liegen weit zurück, und Sellafield hieß damals  – in den vierziger und fünfziger Jahren – noch Windscale.  Der  Brand   eines  der Reaktorkerne im Jahr 1957 war der wohl  schwerste nukleare Zwischenfall  vor Tschernobyl. Dennoch wurde die Katastrophe heruntergespielt, es bestand angeblich keine Gefahr für Mensch und Umwelt (kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor?), allerdings  sah die Regierung von England eine Gefahr für die Zukunft der  noch weitgehend unerforschten neuen Nukleartechnologie. Genau aus diesem Grund ordnete der damalige Premierminister Harold Macmillan an, alle Informationen über das Unglück für zwanzig Jahre unter Verschluss zu halten, „um die zukünftige Entwicklung  der Kernkraftnutzung nicht zu gefährden“.  So erklärt es sich, dass die ersten kritischen Dokumentationen nicht früher als Anfang der achtziger Jahre erschienen.  Aber wie erklärt es sich, dass Nachrichten über die häufigen Unfälle in Sellafield alias Windscale sich nur im Flüsterton verbreiten? Darüber, dass Jahrzehnte lang radioaktive Flüssigkeiten einfach in der irischen See verklappt wurden, teilweise in Fischfanggebieten? Dass noch 2005 eine Menge von 83000 Litern einer radioaktiven Flüssigkeit durch das Leck in einer Leitung unbemerkt ausgetreten war? Dass eine der Wiederaufbereitungsanlagen, die seit 1994 in Betrieb ist, am 31. Januar dieses Jahres  (2014) ihre Mitarbeiter aufforderte, zu Hause zu bleiben, weil man erhöhte Werte von Radioaktivität gemessen hatte?

Am Anfang stand in Windscale lediglich ein Reaktor zur Herstellung von Plutonium als Voraussetzung für den Bau einer Atombombe.  Sich von Amerika unabhängig zu machen und eine eigene Atombombe zu bauen, und das so schnell wie möglich, war für die Politik Anlass genug, alle Bedenken wegen unabsehbarer Nebeneffekte in den Wind zu schlagen.

Macht man sich eigentlich strafbar,  wenn man verantwortungslose Politiker vom Schlag eines Harold Macmillan als Kriminelle bezeichnet?

Das wär’s für heute.

Susanne Luecke