Ab mit Euch! II

Wenn ich nicht unter einer ausgeprägten Pathos-Unverträglichkeit leiden würde, könnte ich jetzt so beginnen: Wie kann man jemandem eine Sache ans Herz legen, wenn derjenige ein solches, allem Anschein nach, nicht besitzt?

Unter dieser Prämisse also anders: Wir erinnern uns an die Worte der jetzigen Europaministerin Beate Merk, mit denen sie sich selbst wohlwollend charakterisiert: Sie versuche „auf Zwischentöne zu hören“.

Auch auf solche, die nicht unbedingt harmonieren mit Ganztönen wie „Serbien ist ein für seine Bürger sicherer Westbalkanstaat“ (dafür gilt er seit letztem Jahr)?

Der hier wiedergegebene Brief ist reich an Zwischentönen. Bleibt nur zu hoffen, dass die auf einer Frequenz liegen, die sich mit der jener Töne deckt, denen die Europaministerin Ihr Gehör schenken möchte.

„NETZWERK ASYL AMMERSEE WEST , TEAM  ASYL SCHONDORF

                                                                                                                            Schondorf, 19.02.2015

HUMANITÄRES DESASTER:

SCHONDORFER  ASYLBEWERBER-FAMILIE DROHT DIE AUSWEISUNG NACH SERBIEN OHNE PRÜFUNG INDIVIDUELLER ASYLGRÜNDE

Seit vier Monaten wohnt die Roma-Familie Fazliju mit drei schulpflichtigen Kindern in einem der Zimmer in der Unterkunft Schulstraße 9. Sie stammen aus Presewo im äußersten Süden Serbiens, einer zu 90 % von Albanern bewohnten Bergregion. Diese dominierende Bevölkerungsgruppe diskriminiert die wenigen Roma-Familien und geht häufig aggressiv gegen sie vor, um sie zu verdrängen. Vor zwei Jahren versuchten die Fazilijus schon einmal vergeblich in Deutschland Asyl zu erhalten, u.a. weil ihre Kinder gewaltsam am Schulbesuch gehindert wurden und die Staatsorgane ihnen keinen Schutz sicherten. Mit Hilfe deutscher Spenden konnten sie zunächst ein Haus der Mutter nach ihrer Rückkehr herrichten, mussten dies aber unter massiven Attacken feindseliger albanischer Nachbarn im vergangenen Oktober zurücklassen, um erneut in Deutschland Schutz zu suchen. Herr Fazilju berichtet: Da die Polizei in diesem Teil Serbiens von Albanern gebildet wird, wurde den Angriffen dieser albanischen Leute auf seine Familie nicht effektiv Einhalt geboten – ein offensichtliches Versagen der staatlichen Schutzpflicht.

Seit dem neuen Aufenthalt in Deutschland mit einem Folge-Asylantrag mussten die Faziljus durch Telefonkontakte in ihre Heimatregion erfahren, dass ihr Haus geplündert wurde und alle bewegliche Habe – auch z.B. die Heizkörper – weggenommen wurde, ohne dass Polizeikräfte eingriffen.

Hier bei uns sind die dankbar-anhänglichen Kinder inzwischen mit gutem Erfolg in die Schulen eingegliedert, haben beim Vereins-Fussball Sportfreunde gefunden und werden von ehrenamtlichen Kräften bei den Hausaufgaben betreut. Sie spielen Schach mit Leidenschaft und die Familien freuen sich über Ausflüge mit anderen Schondorfer Bürgern. Sprachtraining wurde begonnen – die Tochter kann am besten übersetzen und am Telefon ist sie immer zuerst bereit, auch für die anderen Mitbe-wohner zu sprechen.

Am Faschingsdienstag erhielt die Familie vom Landratsamt Landsberg die Mitteilung,dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in München ohne Prüfung der individuellen Existenz-Gefährdung die Durchführung eines neuen Asylverfahrens für die Familie als „unbeachtlich“ ablehnt und damit Ausreisepflicht besteht. Bei freiwilliger Rückreise müssen die Reisekosten selbst aufgebracht werden.

Aber wohin soll diese Familie mit den Kindern im Alter von 9, 11 und 12 Jahren gehen, wenn ihr Hab und Gut geplündert ist und aggressive Bewohner in der Umgebung ihnen Gewalt antun, ( die Kinder zeigen Narben von Messerattacken…), ohne dass staatlicher Schutz zu erwarten ist ??? Auch in anderen serbischen Städten gibt es Pogromstimmungen gegen die Minderheit der Roma, wie amnesty international berichtet.

Nach dem Asylverfahrensgesetz müsste im Einzelfall die Asylberechtigung auf Grund staatlichen Schutz-Versagens geprüft werden, aber da seit letztem Jahr Serbien als „für seine Bürger sicherer“ Westbalkanstaat zählt, kann das Bundesamt zur Beschleunigung des Verfahrens auf grundsätzlich „unbeachtlich“ entscheiden und mit der Abschiebung drohen – die dann zwar bis zur serbischen Hauptstadt kostenlos ist, aber eine fünfjährige Wiedereinreise-Sperre als Vermerk im Reisepass mit sich bringt.

Da die Familie in Kürze völlig mittellos sein wird und ihr völlige Verelendung droht,, würden in dieser Situation auch Geldspenden helfen – z.B. auf das Asylhilfe-Sonder-konto bei der Katholischen Kirchenstiftung Mariä Heimsuchung : Sparkasse Utting BYLADEM1LLD, IBAN DE51 70052060 0000 151 332

oder bei der Evang-Lutherischen Kirchen-Gemeinde Diessen-Utting BYLADEM1LLD, IBAN DE66 70052060 0000 1055 69

Ludwig Gernhardt“

[Zitat Ende]

Der Begriff „Sicherheit“ ist unbedingt neu zu definieren.

Das war’s für heute.

Susanne Luecke

 

6 Gedanken zu „Ab mit Euch! II

  1. Diese Volksgruppe wird auf dem ganzen Balkan maltraetiert aufgrund ihrer Abstammung. Das hat mit politischer Verfolgung weniger zu tun als viel mehr mit rassistischer. Neben den Juden waren die „Zigeuner“ die zweitgroesste von der Vernichtung betroffenen Zielgruppe der Nazis. Schon aus diesem Grunde sollte Deutschland hier mehr seiner historischen Verantwortung gerecht werden und diese mal im positiven Sinne „sonderbehandeln“!

    1. So hat es mich auch immer gestört, dass offiziell nur von der Vernichtung der Juden im dritten Reich geredet wird. Erst in jüngster Zeit wird in diesem Zusammenhang auch der Sinti und Roma gedacht. Und dann sind da ja noch die Unzähligen politischen Häftlinge und all die, die nicht dem braunen Geschmeiß ins Konzept passten … Das soll aber auf keinen Fall jetzt so klingen, als wollte ich die jüdischen Opfer „relativieren“. – Ich wünschte, ich könnte glauben, dass eines Tages es völlig egal ist, welchem Glauben mein Nachbar angehört, so wie heute doch wohl kaum jemand danach fragt, ob einer Protestant oder Katholik ist (oder täusche ich mich da etwa??)

      1. Besonders erschütternd in diesem Zusammenhang finde ich unseren neuen Bundespraesidenten. Der ist doch glatt die letzten Tage mit der Ukraine marschiert. Die russische Politik von heute vergleicht er mit der Expansionspolitik Hitlers (heim ins Reich).Und das bei 20 Millionen Toten Russen im 2. Weltkriege! Bei diesem Marsch mit der nationalistischen Führung der Ukraine bedauert er im Interview auch noch, wenn wir der Ukraine schon keine Waffen liefern, dann….Ja gehts noch? So ein Fanatiker sollte sofort zurücktreten.
        Aber Undank ist der Welten Lohn: Bei der 70-Jahresfeier zur Befreiung hat man die Russen gar nicht eingeladen. Als ob die Insassen sich selbst befreit haben.

  2. Um nicht zu weit vom Thema abzuschweifen:
    Deutschland nimmt jedes Jahr glaube ich 10000 Juden auf zur Wiedergutmachung.
    Genauso sollte zur Wiedergutmachung auch mit dieser Volksgruppe verfahren werden.
    Damit könnte man hier die Asylproblematik elagant ausklammern.
    Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen.

Kommentare sind geschlossen.