Wenn Politiker dem Parlament oder dem Volk etwas mitteilen wollen, bedienen sie sich einer Sprache, die aus Wörtern besteht. Normalerweise transportieren sie ihre Botschaft also, indem sie reden. Wenn sie sich einmal gesanglich äußern, wie etwa der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel (seine Wahl war auf das Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ gefallen, sicher wegen der gelben Farbe; Scheel war auch mal Vorsitzender der FDP) oder Andrea Nales mit dem Pippi-Langstrumpf-Titellied, sind wir befremdet oder gar peinlich berührt, vor allem dann, wenn die Töne wie bei letzterer nicht ganz der korrekten Frequenz entsprechen.
Das war nicht immer so. Im alten Griechenland, der Wiege unserer Zivilisation, war es nicht ungewöhnlich, dass Gesandte ihre Botschaft singend und gar tanzend überbrachten, wie der griechische Althistoriker Angelos Chaniotis in seinem Aufsatz „Als die Diplomaten noch tanzten und sangen“ in der Zeitschrift Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien, Bd. 24, darlegt. Zuständig für Tanz und Gesang waren keine Geringeren als die Musen, und sie waren es, die die entsprechenden Fähigkeiten beherrschten und vermittelten. Körper- und Stimmbewegung kamen sozusagen von der höchsten Instanz.
Noch im 17. Jahrhundert empfand man es offenbar nicht verwunderlich, wenn ein Ludwig XIV. von Frankreich 1653, kaum vierzehn Jahe alt, als aufgehende Sonne verkleidet, sein Publikum im „Ballet Royal de la Nuit“ erfreute, was ihm der Legende nach das Epitheton „Roi-Soleil (“Sonnenkönig“) eintrug: die Arme zierlich abgespreizt, Haupt und Schultern von Strahlen umgeben, ebenfalls strahlend der Gürtel, die Schuhschnallen und Strumpfbänder, wie ihn eine zeitgenössische Darstellung präsentiert. (Das Libretto stammt übrigens von Isaac de Benserade.)
Im aktuellen Wahlkampf erwarten wir von den Kandidaten also Vergleichbares. Annalena Baerbock als (sagen wir) Diana, Armin Laschet als munterer Merkur, Olaf Scholz als … Ich bitte um Vorschläge!
Das wärs für heute.
Susanne Lücke